Sind 50 von 168 Stunden richtig? Nora Bienz fasst die Aussagen von Susanne Ernst zu Teilzeitarbeit zusammen

Susanne Ernst ist stellvertretende Chefärztin der medizinischen Klinik am Kantonsspital Olten und Leiterin der Notfallstation. Als Mutter von drei Kindern arbeitet sie seit vielen Jahren in Teilzeit – so auch in ihrer aktuellen Kaderposition. Als Verantwortliche der Notfallstation sind für sie die unterschiedlichsten Pensen ihrer Mitarbeitenden eine Selbstverständlichkeit. An unserem Teilzeitanlass im Raiffeisenforum Bern hat sie nicht nur ein spannendes Referat gehalten, sondern sich auch den Fragen aus dem Publikum gestellt.
Einführend hat die Rednerin die ketzerische, aber berechtigte Frage aufgeworfen, warum denn bei 168 Stunden möglicher Arbeitszeit pro Woche 50 Stunden die notwendige und richtige Arbeitszeit sein sollen. Auch mit 50 Stunden pro Woche könne man lediglich einen Drittel der Zeit abdecken – also könnten es genauso gut auch weniger sein. Diese Betrachtungsweise verdeutlicht, dass die im Klinikalltag herrschenden Systeme durchaus kritisch und mit der notwendigen Kreativität angeschaut werden sollten. Es braucht in den Spitälern hinsichtlich der Präsenzzeiten einen Kulturwandel, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern.
Faul und desinteressiert?
Susanne Ernst fragt bei Bewerbungsgesprächen grundsätzlich nach dem Wunschpensum – «dabei ist fast alles möglich». Während der Weiterbildungszeit gelte jedoch aus organisatorischen Gründen ein Minimum von 50 Prozent. Die Referentin beschrieb ihre Teilzeitmitarbeitenden als ausgesprochen loyal und motiviert und wiederlegte damit das gängige Vorurteil, diese seien nicht arbeitswillig oder weniger engagiert.
Laut Susanne Ernst erhöhen Teilzeitpensen die Komplexität der Planung. «Im Schichtbetrieb einer Notfallstation ist Teilzeitarbeit aber problemlos umsetzbar, unter der Voraussetzung, dass alle Mitarbeitenden alle Schichten gleichermassen abdecken.» Durch die zusätzlichen Mitarbeitenden steige der Führungs- und Administrationsaufwand. Aber Susanne Ernst betont, dass Teilzeitmitarbeitende insgesamt die Flexibilität des Betriebs verbessern und der Zusatzaufwand durch die Vorteile mehr als wettgemacht wird. Falle jemand aus, sei die Lücke im Dienstplan kleiner und es werde leichter ein kurzfristiger Ersatz gefunden.
Karten offen legen
Wie bewirbt man sich für eine Teilzeitstelle? Eine Frage, die das junge Publikum beschäftigte und zu einer regen Diskussion führte. Susanne Ernst ist klar der Meinung, dass bei der Bewerbung die Karten offen gelegt werden sollten. «Das schafft von Beginn weg Klarheit und Vertrauen». Eine Teilnehmerin entgegnete, dass sie gar nicht erst zum Bewerbungsgespräch eingeladen werde, wenn sie bereits im Bewerbungsschreiben nach einer Teilzeitstelle fragt. Ein in der Tat ungelöstes Dilemma: Nach wie vor gibt es viel zu wenig Kliniken, die bereits auf Assistenzarztebene Teilzeitstellen anbieten.
Wie kann Teilzeitarbeit in einem stationären Betrieb umgesetzt werden? Mit der nötigen Kreativität ist das möglich», sagte Susanne Ernst. Auch bei 50 von 168 Stunden seien wir weit weg von der gerne propagierten Kontinuität. Also müssten vor allem die Schnittstellen und Übergaben verbessert werden. Und vielleicht würden wir uns auch irgendwann von den klassischen Wochentagen mit Wochenendunterbruch verabschieden müssen.
Es ist noch ein weiter Weg. Aber Menschen wie Susanne Ernst machen Mut und lassen hoffen, dass Teilzeitarbeit irgendwann auch in den Spitälern zu einer Selbstverständlichkeit wird.