Ein Vollzeitjob neben der Ausbildung zum Hausarzt - Anna Meister hat mit Remo Mijnssen gesprochen

Remo Mijnssen, 33 Jahre, Assistenzarzt in Ausbildung zum Allgemeinmediziner, Vater von 5 Kindern
Das Interview findet am Mittwochnachmittag bei Remo zuhause statt. Vier seiner fünf Kinder und einige Freunde der Kinder sind mit ihm zuhause und möchten lieber eine Schatzsuche veranstalten, als meinen Fragen zu lauschen. Remo und seine Frau teilen sich die Arbeit zuhause und sind beide in Teilzeitpensen berufstätig. Er arbeitet aktuell 50% in einer dermatologischen Praxis und seine Frau arbeitet 80% als Zimmerin.
Warum arbeitest du Teilzeit? Ich wollte die frühen Jahre meiner Kinder nicht verpassen und eine aktive Rolle in ihrem Leben spielen. Ich habe deswegen entschieden, einen Grossteil meiner Ausbildung zum Hausarzt in Teilzeit zu absolvieren. Zudem war für mich auch wichtig, dass sich meine Frau beruflich weiterentwickeln kann.
Wie hast du dich damals auf deine erste Teilzeitstelle beworben?
Ich habe in der Praxis zuerst 100% gearbeitet und im Verlauf mein Pensum reduziert. Das war kein Problem, insbesondere weil ich den Betrieb schon gut kannte. Bei meiner jetzigen Stelle habe ich den Wunsch nach einem Teilzeitpensum von Anfang an kommuniziert.
Wie reagiert dein berufliches und privates Umfeld auf deine Teilzeitstelle?
Ein Vater von einem Schulfreund meines Sohnes hat mir erklärt, ich müsse 100% arbeiten, sonst werde ich nie ein guter Arzt. Zumeist bekam ich jedoch positive Reaktionen, viele fanden es gut, dass ich mir Zeit für meine Familie nehme.
Wenn du deine Zeit als «Vollzeitarzt» mit deiner jetzigen Teilzeitstelle vergleichst-wie sieht deine Bilanz aus?
Meine Arbeitstage sind jetzt definitiv dichter, da ich versuche mehr in einem Tag zu erledigen. Aber das wiegt die Zeit, die ich an den anderen Tagen mit meinen Kindern verbringen kann, klar auf. Ich bin weniger müde und deutlich entspannter als zuvor!
Machst du dir nun Sorgen nie einen «guten Arzt» zu werden?
Nein! Mit meinem Berufsziel in der Allgemeinmedizin, kann ich meine Weiterbildung ausserhalb vom Spital sehr flexibel gestalten. Es wird im Vergleich zu Vollzeitkollegen länger dauern, aber ich werde voraussichtlich nach dem Facharzt noch lange genug arbeiten.
Du sprichst an, dass die Weiterbildung ausserhalb vom Spital flexibel gestaltet werden kann. Was müsste im Spital unternommen werden, um bei dieser Flexibilität mithalten zu können?
Im stationären Setting muss sicher noch viel aufgearbeitet werden. Ich denke, dass die Strukturen und Übergaben neu organisiert werden müssen. Wenn man die Patientenbetreuung auf mehrere Personen aufteilt, fällt es nicht so ins Gewicht, wenn ein Arzt an einem fixen Tag nicht da ist. So könnten auch die Übergaben minimiert werden, da andere aus dem Team Bescheid wissen. Zudem muss ein Umdenken auf Ebene der Leitung stattfinden. Teilzeit soll gefördert werden!
In einer Umfrage bei unseren Mitgliedern hat sich gezeigt, dass viele die Teilzeit arbeiten wollen, am liebsten 80% arbeiten würden und nicht wie von vielen angenommen 50%. Was wäre dein Wunschpensum? Sobald die Kinder etwas älter sind wäre 80% mit einem fixen freien Tag pro Woche das Ziel.
Kürzlich wurde im Parlament ein Vaterschaftsurlaub von 14 Tagen beschlossen. Was hältst du davon?
Die Zeit am Anfang ist zum Aufbauen einer Bindung sicherlich wichtig. Ich habe vier meiner Kinder während dem Studium bekommen, da stand noch kein Urlaub zur Diskussion und ich war natürlich weitaus flexibler. Aber als Assistenzarzt dann gleich nach der Geburt wieder arbeiten zu gehen, war schon hart.
Was würdest du jungen Ärzten und Ärztinnen für Tipps geben bezüglich einer Teilzeitstelle?
Ich würde es bei der Bewerbung offen ansprechen und bei Verhandlungen versuchen, beim gewünschten Pensum zu bleiben. Bei der Arbeit würde ich akzeptieren, dass die Arbeitstage zum Teil intensiver und arbeitsreicher sind als bei einem Vollzeitpensum und an den Tagen, an denen man arbeitet 100% zu geben.
Nach dem Interview habe ich dankend die selbstgemachten Armreifen und Zeichnungen entgegengenommen und viel Glück bei der Schatzsuche gewünscht! Ich konnte nach diesem Gespräch gut verstehen, wieso Remo jeweils auf dem Notfall auch mitten im Chaos immer die Ruhe bewahren konnte.