Wir brauchen dringend Schutzmasken

Wir haben eine Intensivmedizinerin am Unispital gefragt, welche einschneidenden Veränderungen die Corona-Pandemie für sie und ihr Team mit sich bringt, was sie sich von der Regierung wünscht und was die Betreuung eines beatmeten Patienten für das Pflegepersonal bedeutet.

27.03.2020

von Barbara Schwede

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Was hat die Corona-Pandemie in deinem Arbeitsalltag verändert?

Am einschneidendsten für uns auf der Intensivstation ist die Umstellung vom 3-Schicht- auf ein 2-Schicht-System. Ziel ist es, dass durch die längeren Schichten mehr Ressourcen zur Verfügung stehen. Wir arbeiten jetzt von 7:30 Uhr bis 21 Uhr oder von 20 Uhr bis 8:30 Uhr – also über 12 Stunden am Stück. Das sind schon sehr lange Arbeitstage und es fühlt sich so an, als würde man im Spital leben. Bisher gab es dieses System nur an den Wochenenden, jetzt wurde es auf unbestimmte Zeit eingeführt, nicht nur für die Ärzte, sondern auch fürs Pflegepersonal. Die Einsatzpläne werden – weil nicht klar ist, wie sich die Situation entwickelt – nur eine Woche im Voraus gemacht. Ansonsten haben wir oft Pikett-Dienst, damit wir spontan einrücken können. Wir versuchen, die Mitarbeiter in zwei getrennte Teams aufzuteilen, damit auch bei uns weniger Kontakte stattfinden.

Was beschäftigt euer Team am meisten?

Am meisten Unruhe entsteht dadurch, dass wir nicht wissen, was uns in den nächsten Wochen erwartet. Aktuell ist es bei uns auf der Intensivstation noch relativ ruhig. Nur drei unserer 58 Beatmungsplätzen sind derzeit mit COVID-Patienten belegt. Durch die Erfahrungen in anderen Regionen konnten wir uns gut vorbereiten und sind bereit für den Ansturm, der uns wahrscheinlich nächste Woche erreichen wird.

Eine grosse Sorge aller Ärzte und Ärztinnen ist das knappe Schutzmaterial. Die Spitäler haben teilweise Lieferungen via Armee erhalten, aber viele Praxen haben keine Masken mehr oder sie werden rationiert. Ein bis zwei Masken pro Tag und Person, so das Credo in vielen Betrieben. Aus hygienischen Gründen sollten die Masken nicht mehrfach verwendet werden. Wenn sie einmal aufgesetzt sind, kann nicht gegessen oder getrunken werden. Das macht den Alltag anstrengend. Wir tun das Beste, um mit dem zur Verfügung stehenden Material zurecht zu kommen. Das ist auch mein grösster Wunsch an die Regierung: Bitte sorgt dafür, dass wir uns wirklich gut schützen können!

Von der Bevölkerung wünsche ich mir, dass sie das Social Distancing wirklich einhalten. Damit könnt ihr alle uns am besten helfen. Im Moment geht es vor allem darum, das Gesundheitssystem so weit wie möglich zu entlasten. Ansonsten: Tut Dinge, die euch auch ohne Kontakt zu anderen Menschen Freude machen: geht im Wald spazieren, kümmert euch um Garten oder Balkon, erledigt Projekte, um die Wohnung zu verschönern. Und bleibt einfach viel zuhause.

Welche Pflege braucht ein Patient, der beatmet wird?

Die Patienten sind sediert, also im Tiefschlaf. Sie müssen zur Beatmung auf den Bauch gedreht werden, weil die Lunge dadurch besser belüftet werden kann. Damit sie keine Druckstellen bekommen, dreht man sie nach 16 Stunden wieder zurück in die Rückenlage und weitere 6 Stunden später wieder auf den Bauch. Für diese Drehungen sind fünf Personen notwendig, damit alles gut kontrolliert werden kann. Würde sich zum Beispiel der Beatmungsschlauch lösen, bestünde ein hohes Infektionsrisiko für das Personal. Eine Pflegeperson bleibt die ganze Zeit am Bett des Patienten, gibt Medikamente, wäscht ihn, stellt die Maschinen ein und überwacht alles. Eine 12-Stunden-Schicht fühlt sich dabei unendlich lange an. Die Zahlen aus dem Ausland zeigen: gut die Hälfte der intubierten COVID-Patienten stirbt. Das ist eine belastende Situation für das medizinische Personal, aber auch für die Familien, die aus Sicherheitsgründen nicht wie sonst üblich zu Besuch kommen können. #Ärztealltag

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