Nachhaltiger Umgang mit unserer Zeit

Wir sprachen mit einer leitenden Ärztin der Viszeralchirurgie am Unispital über ihren Alltag während des Lockdowns und danach. #Ärztealltag

25.06.2020

von Barbara Schwede

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«Aktuell werden verschobene Operationen und Konsultationen nachgeholt. Hierfür haben wir die Sprechstundenzeiten verlängert, den Samstag ergänzt und die Operationssäle sind tagsüber voll belegt. Um die Hygienemassnahmen mit Desinfektion, regelmässigem Lüften und reduzierter Anzahl Patientinnen und Patienten im Wartezimmer einhalten zu können, planen wir in der Sprechstunde mehr Zeit pro Person ein. Trotz längerer Sprechstunden sehen wir also die gleiche Anzahl Menschen.

Während des Lockdowns wurde die ganze Abteilung inklusive Ärztinnen und Ärzten, Pflege, Administration und Reinigungsequippe in Team A und B eingeteilt, die wochenweise arbeiteten. In der Woche zuhause bestand Zeit für administrative Aufgaben wie das Berichtswesen und für Forschung. Das hat sich sehr bewährt, weil man diese Art von Arbeit zuhause konzentrierter und ohne Störungen erledigen kann. Andererseits hat Team A die Kolleginnen und Kollegen aus Team B nun schon seit Wochen nicht mehr gesehen und alle vermissen die sozialen Kontakte im Arbeitsalltag. Sich wieder auf einen Kaffee zu treffen und kurz auszutauschen, kommt aktuell definitiv zu kurz.

Die Covid-19 Krise hat im Spital ein Umdenken bezüglich des Umgangs mit der Zeit angestossen.

So werden die Rapporte und Tumorboards weiterhin online abgehalten – das ist viel effizienter und es bleibt Zeit für anderes. Als Spezialistin für Transplantationsmedizin bin ich ausserdem auf internationale Fortbildungen angewiesen – daran kann ich nun unkompliziert vom Sofa aus online teilnehmen. Die langen Reisezeiten entfallen und die Koordination mit dem Familienalltag ist für mich als dreifache Mutter deutlich einfacher geworden. Ich erhoffe mir, dass der nachhaltige und sparsame Umgang mit der Zeit auch nach der Corona-Pandemie beibehalten werden kann.

Für die Transplantationsmedizin stellte die Covid-19-Krise ein grosses Problem dar, denn es standen deutlich weniger Organspenden zur Verfügung und daher konnten weniger Transplantationen durchgeführt werden.

Wieso wurden weniger Organe gespendet? Einige Intensivstationen waren wahrscheinlich mit den Covd-19-Fällen so stark ausgelastet, dass keine freien Kapazitäten für aufwändige Spenderabklärungen bestanden. Während des Lockdowns verbrachte die Bevölkerung viel Zeit zuhause, was zu weniger Unfallopfern führte – und daher standen auch weniger Spenderorgane zur Verfügung. Für Patientinnen und Patienten, die dringend ein Organ benötigen, führte diese Situation zu einer grossen psychischen Belastung. Lange im Voraus geplante Transplantationen wurden teilweise kurzfristig abgesagt. In unserer Klinik sind während der Coronakrise mehr Patienten, die auf der Warteliste standen, verstorben als es sonst der Fall ist.

Aktuell hat sich hier die Lage wieder normalisiert und Transplantationen werden etwa im gleichen Umfang wie normalerweise durchgeführt.»

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