Kommen Sie bei einem Notfall ins Spital! Zögern Sie nicht!

Im Interview erzählt uns diese Notfall-Ärztin von ihrem #Ärztealltag.

22.04.2020

von Barbara Schwede

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“Ich arbeitete gerade im Spital auf dem Notfall, als der erste Covid-19-Test in Kanton Bern positiv ausfiel. Zu Beginn wusste niemand, wie man in einer solchen Situation am besten vorgeht. Mehrmals behandelte ich Infizierte ohne Maske, weil Schutzkleidung nur bei Patienten mit typischen Symptomen wie Husten und Fieber vorgesehen war. Es war nicht klar, dass zum Beispiel Durchfall zusammen mit Fieber ebenfalls für eine COVID-Infektion sprechen kann. Beim ersten Patienten hatten wir noch die Zeit für eine ausführliche Nachverfolgung seiner Kontakte der vorherigen Tage. Bereits eine Woche später waren wir komplett am Anschlag, kamen kaum mehr nach mit der Arbeit. 20 infizierte Personen waren dafür schon genug. Dazu kamen all die Anrufe von Menschen, die sich testen lassen wollten. Mehrfach beschimpfte man uns, weil wir gar nicht alle testen durften. Die klaren Guidelines des BAG haben uns dabei sehr weitergeholfen. Auch alle Menschen mit Symptomen, bei denen Abstriche gemacht werden mussten, kamen in den Notfall. Später hat das Spital dann eine separate Einheit für Abstriche eingerichtet um besser mit dem Ansturm umgehen zu können.

Zu Beginn war das gesamte Team ziemlich überfordert, weil es eine komplett neue Situation war und vor allem, weil niemand so genau wusste, was uns noch erwarteten würde. Deshalb haben sich alle Kaderärztinnen und -ärzte des Spitals mehrmals wöchentlich zu einer Besprechung getroffen und die Ressourcen neu eingeteilt: deutlich mehr Personal auf dem Notfall und der Intensivstation, dafür Reduktionen in der Chirurgie.

Inzwischen sind wir ausgesprochen gut organisiert. Ich hätte gerade eigentlich Ferien, stehe dem Spital aber weiterhin zur Verfügung. Selbst Schutzausrüstung steht ausreichend zur Verfügung – und wir versuchen, sie klug und sparsam einzusetzen. Täglich erscheinende Studien wie man COVID-Erkrankte am besten behandelt sowie der schweizweite Austausch helfen uns den Alltag im Spital gut zu bewältigen. Langsam spüren wir nun den Rückgang der Fallzahlen, aber wie die zweite Welle aussehen wird, ist ja weiterhin unklar. Es ist gut und wichtig, dass die Wirtschaft wieder in die Gänge kommt, gleichzeitig braucht es eine langsame Lockerung der aktuellen Massnahmen, damit wir die Situation weiterhin im Griff behalten können. Auf der Chirurgie fragt man sich, wie denn die nächsten Monate verlaufen werden, wenn im Juni und Juli dann all die verschobenen Operationen nachgeholt werden. Voraussichtlich werden wir dort dann mit einer grossen Mehrbelastung rechnen müssen.

Aktuell haben wir sogar die gegenteilige Situation: Ganz viele Menschen trauen sich nicht mehr, das Spital aufzusuchen. In die Neurologie kommen beispielsweise viel weniger Menschen mit Hirnschlägen als sonst. Das ist tragisch, denn diese Menschen brauchen dringend medizinische Hilfe! Die einen haben wohl Angst wegen des Virus, die anderen wollen uns nicht belasten. Hier möchte ich gerne sehr deutlich sagen, dass wir über genügend Kapazitäten verfügen, Notfälle gut behandeln zu können und dass sich niemand Sorgen über eine Ansteckung machen muss.

Insgesamt möchte ich dem Bundesrat ein grosses Merci aussprechen: Die getroffenen Massnahmen gegen die Pandemie waren ausgesprochen sinnvoll und nur wegen des beherzten Handelns haben wir heute wieder eine normale Belastung. Auch der Bevölkerung, die so gut mitgezogen hat, möchte ich danken! Lieber haben wir leere Betten auf der Intensivstation als Zustände wie in Italien. Die klaren Massnahmen und Guidelines des Bundesrates waren sowohl für die Kantone, wie auch die Bevölkerung und die Spitäler eine grosse Erleichterung, weil es somit eine klar führende Hand gab und gerade die Spitäler die Verantwortung nicht alleine tragen mussten.”

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