CLASH Medizinstudierende gegen Sexismus

CLASH steht für Collectif de lutte contre les attitudes sexistes en milieu hospitalier. Der Verein wird von Medizinstudierenden getragen und verfolgt das Ziel, Sexismus, sexuelle Belästigung und generell Diskriminierung aus dem Medizinkontext zu verbannen.

04.11.2021

Eveline Tissot

0 Kommentar(e)

Wir sprachen mit Lynn Jacobshagen, Vorstandsmitglied von CLASH Freiburg.

CLASH wurde vor bald zwei Jahren gegründet. Wie kam es dazu und wieso braucht es den Verein?

CLASH wurde sozusagen in Lausanne geboren. Hier hatten sich Medizinstudierende aus dem Praktikumsjahr zusammengeschlossen, nachdem sie im Spital öfters Sexismus und sogar körperliche Übergriffe erleben mussten. Auf informelle Weise haben sie Zeugenaussagen gesammelt, die üble Geschichten ans Tageslicht brachten. Über 60 Prozent der Umfrageteilnehmenden hatten berichtet, Zeugen oder Opfer von sexistischem Verhalten im Spitalalltag gewesen zu sein. Auch aus eigener Erfahrung wissen wir wohl alle: Sexismus findet statt.

CLASH, das heisst ‘Collectif de lutte contre les attitudes sexistes en milieu hospitalier’. Ist das nur ein Problem der Westschweiz?

Nein, sicher nicht. Wir alle waren schon in unterschiedlichsten Teilen der Schweiz in Praktika und wissen: Das Problem besteht überall. Tatsächlich gibt es aktuell CLASH aber erst in den französischsprachigen Teilen der Schweiz. Nach Lausanne hat sich nun auch in Freiburg und Genf ein Kollektiv gegen Sexismus gebildet und sich CLASH angeschlossen. Wir sind aber mit zwei Unis in der Deutschschweiz in Kontakt, wo ähnliche Bestrebungen am Laufen sind. Das Problem ist also auch dort längst erkannt.

Wie geht CLASH konkret gegen Sexismus vor?

Wir arbeiten vor allem in der Prävention. Erstens braucht man Daten zum Thema: Durch das Institut für Hausarztmedizin in Freiburg wurde eine anonyme Online-Plattform erstellt, welche Betroffene oder Zeug:innen von sexueller Gewalt nutzen können, um ihre Aussagen, ihre «Témoinage», wie wir es nennen, abzugeben. Zweitens bieten wir eine erste telefonische Anlaufstelle. Der dritte Pfeiler unserer Arbeit besteht in der Sensibilisierung. Zusammen mit der Uni haben wir eine Informationskampagne mit Plakaten lanciert – eine Living Library auf dem Campus – und vermitteln Beispiele zu Sexismus in Form von Rollen-Theatern.

Was macht ihr mit den gesammelten Témoinages?

Wenn beispielsweise öfters Meldungen aus der gleichen Klinik eingehen, gibt dies der Uni eine Möglichkeit zu intervenieren. Die Konsequenz könnte sein, dass man mit der Klinikleitung das Gespräch sucht oder dass Studierende nicht mehr an die betroffene Klinik geschickt werden. Die Uni hat primär ein Interesse daran, den Studierenden ein sicheres Umfeld zur Ausbildung bieten zu können. Da hat Sexismus keinen Platz.

Wie könnt ihr Betroffene beraten?

Durch eine externe Fachperson wurden wir vom CLASH-Kollektiv zur Beratung von Diskriminierungsopfern geschult. Es geht in erster Linie darum, Betroffenen eine sichere und anonyme Anlaufstelle für Gespräche zu bieten, hinter den Opfern zu stehen und als Kollektiv nach aussen gegen Sexismus vorzugehen. Alleine hat man oft keine Chance. Wenn man aber als Gruppe das Problem erkennt und benennt, kann man etwas ausrichten. Natürlich sind wir keine Profis und kennen unsere Grenzen sehr gut. Je nach Fall werden die Studierenden auch an die psychologischen Dienste der Uni oder an die Opferberatungsstelle weitergewiesen.

Euer Kollektiv setzt sich konkret gegen Sexismus bei Medizinstudierenden ein. Sind da Übergriffe besonders häufig?

In der Medizin herrschen steile Hierarchien. Wir Studierenden sind weit unten in der Kette. Wir sind es uns gewohnt, Respekt zu haben vor vorgesetzten Ärzt:innen mit mehr Wissen, Erfahrung und Macht. Es braucht Mut, sich als Student:in gegen eine:n Vorgesetzten zur Wehr zu setzen.

Haben alle Verständnis für eure Anliegen?

Unsere Arbeit wird manchmal als Angriff oder Provokation verstanden. Ein leitender Arzt hat mir einmal gesagt, er wisse gar nicht mehr, wie er sich jüngeren Kolleg:innen gegenüber richtig verhalten solle, ohne gleich des Sexismus verdächtigt zu werden. Darum geht es uns nicht. Wir wollen niemanden blossstellen oder schlechte Gefühle provozieren. Wir wollen über Sexismus informieren und ihn bekämpfen.

Konkret: Was soll man tun, wenn man Sexismus beobachtet oder erlebt?

Wehrt euch – aber macht es nicht alleine. Meldet euch bei den hilfeleistenden Stellen oder geht als Kollektiv dagegen vor. In diesem Zusammenhang ist mir noch wichtig zu erwähnen: Sexismus geht nicht nur Frauen etwas an. Auch männliche Kollegen können Opfer von Sexismus werden und sie sind ebenso wie ihre Kolleg:innen aufgefordert, für ein sicheres Arbeitsklima für alle zu kämpfen.

Was ist euer Ziel für die Zukunft?

Wir wollen dazu beitragen, die Mentalität in der Medizin nachhaltig zu verändern. Wir möchten Menschen dazu anregen, ihr Verhalten und Denken so zu verändern, dass der Umgang am Arbeitsplatz respektvoller, inklusiver für alle Geschlechter und sicherer wird. Diese Absichten sollten zweifellos von den Unis und den jeweiligen Kliniken geteilt und gefördert werden. Es geht uns um eine sichere, gleichberechtigte und gleichgestellte Zukunft in der Medizin, in der Sexismus und jede Form von Diskriminierung keinen Platz mehr haben.

Mehr Informationen zum Thema/zu CLASH Friburg:

Kommentare

Noch kein Kommentar veröffentlicht.

Beteiligen Sie sich an der Diskussion