Ich wundere mich, wie viele Menschen mit FFP-2-Masken einkaufen gehen

Wir haben uns mit einem Anästhesisten über seinen Alltag in Zeiten von COVID-19 unterhalten.

09.04.2020

von Barbara Schwede

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“Ein Teil des Anästhesie-Teams wurde auf die Intensivstation verlegt, um die Mitarbeitenden dort zu unterstützen. Planbare Operationen wurden auf die Zeit nach der Pandemie verschoben, also haben wir aktuell weniger und nur dringende Operationen. Kurzarbeit gibt es trotzdem nicht bei uns im Spital, die Ressourcen werden einfach anders verteilt. Auch bei uns gilt nun das 2-Schicht-System und so arbeiten wir immer zwölf Stunden am Stück. Ich arbeite zwei Tage, danach zwei Nächte und bin dann eine Woche auf Pikett, um einzuspringen, falls mehr Ressourcen benötigt würden.

Diese Woche gehe ich für ein paar Nachbarn einkaufen und kümmere mich zusammen mit meiner Frau, die auch noch im Homeoffice arbeitet, um unsere beiden Söhne. Wenn ich in der Migros bin, wundere ich mich schon, wie viele Menschen mit Masken, unter anderem sogar FFP-2-Masken, einkaufen gehen. Gehören sie alle zur Risikogruppe? Und wenn ja, warum gehen sie dann einkaufen und lassen diese Aufgabe nicht von hilfsbereiten Mitmenschen erledigen? Es gibt so viel Unterstützung momentan! Bei uns im Spital, wo die Masken wirklich dringend gebraucht werden, müssen wir Material sparen. Die Vorschriften des Bundesrates sollen eingehalten werden – sie reichen aber auch aus! Dass man Handschuhe beim Einkaufen trägt, verstehe ich ja noch. Es gibt aber wirklich keinen Grund, diese Masken zu tragen, wenn man nicht zur Risikogruppe gehört.

Momentan liegen 20 Corona-Patienten bei uns auf der Intensivstation. Wir verfügen über 25 Beatmungsplätze, können diese Zahl aber noch erhöhen. Es gibt verschiedene Szenarien: Im Worst Case würde der Operationssaal in eine weitere Intensivstation umfunktioniert, weil bei uns sowohl Beatmungsgeräte vorhanden sind, wie auch das Wissen darüber, wie man Menschen mit COVID-19 beatmen muss. In einem solchen Fall würden nur noch überlebenswichtige Operationen durchgeführt werden. Ob dieses Szenario eintritt und wann, das beschäftigt uns alle sehr. Sind wir noch am Anfang? Was kommt alles auf uns zu? Was passiert, wenn es im Pflegepersonal zu massiven Ausfällen kommt? Wie schützen wir uns optimal, auch wenn nicht genügend Material zur Verfügung steht? Und was passiert, wenn der Bundesrat die Massnahmen für die Bevölkerung lockert? Unser Spital ist auf jeden Fall so gut vorbereitet, wie möglich. Und schon schnell wurde verfügt, dass alle zuhause bleiben sollen, die nicht arbeiten müssen – damit möglichst viele Teammitglieder gesund bleiben.

Vor allem auf der Intensivstation ist die Arbeit aktuell sehr aufreibend – gerade für Ärztinnen und Pfleger. So viele Sterbende zu behandeln, ist auch für das Personal sehr belastend.

Weil gerade die üblichen Narkosemittel knapp sind, arbeiten wir im OP mit anderen Medikamenten als sonst. Diese sind genauso sicher, aber nicht ganz so modern. Auch führen wir aktuell mehr Regionalanästhesien durch – narkotisieren also nur das Bein oder den Arm, statt gleich den ganzen Menschen.“

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